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Die Internationale Bauausstellung Emscher Park: Ein Exportmodell? - Ein Blick zurück. Ein Blick nach vorne...

Mit etwa 100 Teilnehmenden traf das Symposium zu Formaten der Stadt- und Regionalentwicklung auf ein interessiertes Publikum aus. Der Stadtbaurat von Gelsenkirchen, Martin Harter, und der Geschäftsführer des Wissenschaftsparks, Dr. Heinz-Peter Schmitz-Borchert, haben die Teilnehmer in Gelsenkirchen begrüßt und die Veranstaltung in den räumlichen Kontext der Stadt Gelsenkirchen, das Ruhrgebiet und die inhaltliche Debatte um Stadt- und Regionalentwicklung eingeordnet. Mit den Worten „Architektur ist eine Verpflichtung“ hat Heinz-Peter Schmitz-Borchert den Bogen zwischen dem Wissenschaftspark als architektonischer Leuchtturm einerseits und der „eigentlichen Währung“, den geschaffenen Arbeitsplätzen, an der eine Internationale Bauausstellung wie die IBA Emscher Park zu messen ist, geschlagen.

Als Einstieg in den Themenblock I „Die IBA Emscher Park und das Folgeformat Regionale“, moderiert von Prof. Christa Reicher, TU Dortmund, hat Prof. Dr. Christoph Zöpel, Minister a.D., in einem Rückblick die Internationale Bauausstellung Emscher Park in den Kontext des politischen Handelns eingeordnet und ihre Bedeutung für die Region beleuchtet. Die aufgezeigten Facetten dieses „Innovationsprozesses“ haben deutlich gemacht, welche Rolle die IBA Emscher Park als Fundament für die erhaltende Stadterneuerung insgesamt hatte.

 Prof. Christa Reicher hat in ihrem Beitrag „Das Format der Internationalen Bauausstellung: Wirkungskette und Perspektive“ die IBA Emscher Park in die Chronologie der Internationalen Bauausstellung eingebettet, ihre Impulswirkung für die Agglomeration Ruhr beleuchtet und die Brücke zu den Nachfolgeformaten, der Europäischen Kulturhauptstadt Ruhr 2010, der Grünen Hauptstadt Europas, der Klima Expo 2022 sowie der Internationalen Gartenschau Ruhr 2027 geschlagen.

In einem kritischen Statement hat Dr. Reimar Molitor, Region Köln/Bonn e.V., seine Erfahrungen aus der Regionale Köln/Bonn 2010 skizziert und die derzeitige Inflation von Formaten im Sinne einer „Formaterities“ kritisiert. Er führt zwei wichtige Gründe für diese Entwicklung an: „Zum einen allokiert Politik das wenige Geld, was zum Gestalten noch übrig bleibt, gerne in wettbewerblichen Prinzipien. Die Auswahlmechanismen sind immer auch eine Zuspitzung von politischer Macht inkl. der darauffolgenden Budgetierung. Zum anderen sind die Formate kommunalpolitisch „hoffähig“ geworden. Sie versprechen in einer vermeintlich einfach griffigen Formel Investitionen in Zukunftsprojekte und subsituieren daher auf der politischen Seite eine umfassende Auseinandersetzung.“

 Gerhard Seltmann, GseProjekte Dinslaken, reflektiert aus seiner Sicht zentrale Aspekte der IBA Emscher Park: den Leidensdruck der Region und den Anspruch, konkrete Projekte auf den Weg zu bringen. Eine der größten Herausforderung bestand darin, in einer „innovationsfeindlichen Region“ nach innen innovativ zu wirken. 

 Im Themenblock II „Ein Format auf Exportkurs“ haben die eingeladenen Referenten aus dem In- und Ausland ihre jeweiligen IBA Konzepte und Strukturen präsentiert.

Den Aufschlag machten Prof. Jo Coenen und Jules Beckers mit einem Einblick in die IBA Parkstad Limburg 2020 in den Niederlanden. „Zusammen bringen was zusammen gehört“ lautet ihre Devise. Die IBA Parkstad, so Jo Coenen, sei aus Deutschland quasi über die Grenze geschmuggelt worden, und versuche jetzt in Folge der Euregionalen 2008 in Aachen und mit Blick auf das Vorbild der IBA Emscher Park, die Identität einer Region - ohne Grenzen - neu zu konstruieren. Jo Coenen betont einerseits die Funktion einer IBA als Gestaltungsaufgabe und andererseits die Notwendigkeit, die unterschiedlichen Akteure aus Hochschulen und Wissenschaft in einen IBA-Prozess einzubinden.

Dirk Lohaus hat die IBA Basel unter dem Motto „Au-delà des frontièrs, ensemble – Gemeinsam über Grenzen wachsen“ präsentiert und die Bedeutung sowie die Herausforderung einer trinationalen Zusammenarbeit im Rahmen einer IBA herausgestellt. Mit der These, dass Baukultur heute mehr und mehr eine regionale Dimension und einen Prozesscharakter habe, wird der Blick auf die Strategie für das Zusammenwachsen einer fragmentierten Agglomeration gerichtet: „Der Weg ist das Ziel.“ Die IBA Basel müsse letztendlich einen Mehrwert für die Region aufweisen und zeigen, wie diese Agglomeration wirtschaftlich und touristisch attraktiver werden könne.

Aus der Wiener Perspektive hat Kurt Hofstetter berichtet, welche Strategien für das neue sozialen Wohnen die Stadt Wien mit der Internationalen Bauausstellung verfolgt. Im Fokus stehen die Themenbereiche „Soziale Quartiere“ im Sinne von funktionaler Nutzungsmischung, „Soziale Qualitäten“ mit dem Blick auf Leistbarkeit und Gemeinwesenarbeit sowie „Soziale Verantwortung“ mit Beteiligungskonzepten und neuen Kooperationsformen.

Während die IBA Emscher Park mit ihrem Leitspruch „Wandel ohne Wachstum“ aufzeigen wollte, wie ein nachhaltiger Umbau und die Gestaltung des Strukturwandels jenseits von andauerndem Wachstum aussehen kann, verfolgt die IBA 2027 Stadt Region Stuttgart die Strategie „Wandel unter Wachstum“. Holger Haas präsentiert die IBA Stuttgart als Meilenstein für nachhaltiges und innovatives Bauen in einer wachsenden Region als eine „IBA neuen Typs“, die sich als eine Art „präventiver Strukturwandel“ versteht.

In der anschließenden Diskussionsrunde haben Prof. Rolf Kuhn und Karsten Feucht herausgestellt, welche Bedeutung die IBA Emscher Park für die IBA Fürst-Pückler-Land hatte. Mit dem IBA-Studierhaus in Großräschen ist ein wichtiger Schritt getan, den Erkenntnisgewinn von IBAs zu vermitteln und hieraus Schlussfolgerungen für Stadt- und Regionalentwicklungsprozesse zu generieren.

 

Ingesamt hat das Symposium in der Reflektion der IBA Emscher Park und der nachfolgenden Formate herausgearbeitet.

  • Internationale Bauausstellungen haben derzeit Hochkonjunktur und sind zugleich auf internationalem Exportkurs. Ähnliches gilt, wenn auch noch nicht in gleichem Maße, für das Format der Regionalen, der sog. kleinen IBAs, und andere Formate. Formate der Stadt- und Regionalentwicklung werden also weiter Konjunktur haben. Aber warum? „IBA, IGA, Europäische Kulturhauptstadt, Green Capital Award, Bundesgartenschau, Landesgartenschau, Regionale Projektschau,…diesen Formaten ist gemein, dass sie für einen definierten Raum eine Aufmerksamkeit auf einen Veränderungsprozess lenken, der mit beispielgebenden Projekten hinterlegt werden soll. Im Umkehrschluss scheint eine gute ambitionierte und innovative Stadt- und Regionalentwicklung ‚im Alltag’ nicht mehr zu realisieren sein. Ein Grund ist die Schwerpunkt-Verschiebung in den staatlichen Haushalten - weg von den physischen, baulichen Impulsen, hin zu den Unterhaltskosten der sozialen Gemeinschaft in allen Facetten. An der Stelle scheint es fast zu einer Art ‚Notwehr für Stadt und Region’ zu werden, sich eines Formats zu bedienen, um die notwendigen Mittelallokationen für strukturelle Impulse überhaupt zu erreichen. Des Weiteren wird durch die Etablierung einer eigener Entwicklungs-GmbH eine bestimmte Aufgabe auch organisatorisch gefasst und einer konzentrierten Behandlung zugeführt.“ Diese Hintergründe und Zusammenhänge hat Reimar Molitor im Rahmen seines Statements ausführt. Die Einschätzung wird auch in der abschließenden Diskussionrunde bestätigt.
  • In dem Sinne sind auch die IBAs ein vielfach angewendetes Format mit dem interessanten Versprechen: “Da machen wir etwas, was Aufmerksamkeit generiert, wo wir Geld für Zukunftsprojekte bekommen.“ Ohne letzten Endes genau zu wissen, inwiefern die entstehenden Projekte wirklich strukturverstärkend sind und auf eine grundsätzliche Stadt- und Regionalentwicklung „einzahlen“.
  • IBAs sind ein „lernendes System“ und zugleich hat jede IBA ihre eigenen Schwerpunkte. Bei der IBA Emscher Park gab es eine große Stimmigkeit in Bezug auf das strukturpolitische Thema und die damit einhergehenden Projekte und Linien. Diese vermeintliche strukturpolitische Eindeutigkeit ist in der Summe wirkmächtig und identitätsprägend, nicht nur im Bezug auf die Industriekultur. Die Versuchsanordnung in der IBA Emscher Park war jedoch eine vollkommen andere als bei den laufenden: „Klares politisches Bekenntnis top down, ausgestattet mit geliehener Macht für die IBA GmbH und ausgestattet mit massiven strukturpolitischen Instrumenten und einer Menge Geld – gepaart mit dem Willen Neues zuzulassen und dafür auch rechtliche Rahmenbedingungen anzupassen, zu erweitern, zu erneuern. Im Gegensatz dazu fehlt den neuen IBAs zumindest immer ein Teil dieser Versuchsanordnung, wenn nicht gar der größte Teil dieser wichtigen Grundbedingungen.“ (Reimar Molitor)
  • Daher besteht die Gefahr, dass das IBA-Format tendenziell in seiner Anspruchsmächtigkeit „verkommt“ und sich noch nicht einmal mit weiteren parallelen Formaten messen kann. Ganz zu schweigen von teilweise sehr anspruchsvollen Einzel-Projekten, die allerorts, insbesondere getrieben durch die europäischen Strukturfonds und bundesdeutsche Städtebauförderung, entstehen.
  • Trotz der Feststellung, dass IBAs eine Art „lernendes System“ sind und auch jeweils voneinander gelernt haben, fangen all diese Formate scheinbar immer wieder bei Null an. „Es gibt so viele Erfahrungen in IBAs, Regionalen und Kulturhauptstädten, die leider nicht systematisch aufbereitet wurden, so dass die neuen Formate, egal ob sie IBAs, Regionale oder BUGA heißen, nicht dieselben Lernprozesse und Fehler durchlaufen. Das ist vermeidbar. Darüber hinaus bedient man sich zu oft des Stilmittels „Projektaufruf“ , der dann ein Konvolut von Projekten mit sich bringt, die eher Alltagsprojektideen wiederspiegeln und auch nicht mit viel Aufwand in die Nähe eines beispielhaften innovativen Projektes qualifiziert werden können. Des Weiteren stellt sich die Frage nach Fehlern bei der Wahl des Formats selbst: So ist die Häufung des Formats IBA auch damit verbunden, dass anderweitige Formate nicht genug in ihren Wirkungen gewürdigt worden sind. Beispielhaft sind dies die Projekte der Regionalen in NRW, aber auch gute Prozesse im ländlichen Raum, z.B. im Kontext der europäischen LEADER-Programme.“ (Reimar Molitor).
  • Es fehlt an Wissenstransfer der gewonnenen Erkenntnisse aus den IBAs, aber auch aus den weiteren Formaten der Stadt- und Regionalentwicklung. Mit dem IBA-Studierhaus ist ein erster Schritt gemacht worden, Erfahrungen und Erkenntnisgewinn systematisch bereit zu stellen. Solche Ansätze sind im nationalen und internationalen Kontext weiterzuentwickeln.

Kontakt: Prof. Christa Reicher