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Creating Spaces of Intercultural Participation

Wie können die vielfältigen Lebenswirklichkeiten moderner Großstädte in einen interkulturellen Dialog über städtische Entwicklung einfließen? Welche institutionellen Ressourcen, Kompetenzen und Kapazitäten erfordert dies? Wie werden städtische Entwicklungsprozesse in diesem Zusammenhang durch digitale Technologien verändert und was können kreative Ansätze und praxisnahe Methoden wie Reallabore zur Erforschung solcher Prozesse beitragen? Diese (und weitere) Fragen standen im Zentrum eines internationalen Symposiums, das das Forschungsprojekt INTERPART am 28. und 29. März 2019 im Dortmunder U und am Campus Süd veranstaltete.

An dem Forschungsprojekt beteiligt sind die Fachgebiete Stadt- und Regionalsoziologie (SOZ) und International Planning Studies (IPS) der Fakultät Raumplanung, das Design Research Lab der Universität der Künste Berlin, die Agentur für crossmediale Bürgerbeteiligung Zebralog, das Büro für Stadtforschung und urbane Projekte Urban Plus, die Landeshauptstadt Wiesbaden (Stabstelle Wiesbadener Identität. Engagement. Bürgerbeteiligung) und das Land Berlin (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen). Zentrale Forschungsmethode ist der Einsatz von Reallaboren, die in Zusammenarbeit mit den Verwaltungen in Wiesbaden und Berlin durchgeführt werden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Projekt.

Den eigenen thematischen Fokus und das methodische Konzept in Relation zu internationalen Forschungserkenntnissen zu setzen, war Ziel des Symposiums mit dem Titel „Creating Spaces of Intercultural Participation“. Nachdem Hanna Hilbrandt, Lehrstuhlvertretung am Fachgebiet IPS, in einem Grußwort für die Fakultät Raumplanung die weitreichende Bedeutung des Projektthemas erläutert hatte, schilderte Projektleiterin Sandra Huning (Fachgebiet SOZ) den Hintergrund, die Intention und die besonderen Herausforderungen des INTERPART-Projekts. Den Auftakt der drei Keynotes am ersten, fachöffentlichen Tag bildete ein Bericht aus dem Projekt selbst: Christiane Droste und Philipp Piechura (Urban plus, Berlin) skizzierten Stadtentwicklungs- und Beteiligungsprozesse aus ausgewählten Herkunftsländern. Ziel war es, Ähnlichkeiten und Differenzen zur Stadtplanung in Deutschland aufzuzeigen und damit für mögliche Erfahrungshintergründe von Migrant*innen und deren potentiellen Einfluss auf Beteiligungsprozesse zu sensibilisieren. Auf Basis einer umfangreichen Literatur- bzw. Onlinerecherche und von Expert*inneninterviews hatten sie exemplarisch die Länder Nigeria, Tunesien, Marokko, Syrien, Serbien, Ukraine und Türkei untersucht. Als wichtige Einflussfaktoren für Beteiligungserfahrungen identifizierten sie u.a. die Rolle demokratischer Institutionen in den Herkunftsstaaten, die Art des Planungssystems und die koloniale Geschichte eines Landes, aber auch Aspekte wie den Grad der Dezentralisierung oder die Verbreitung informeller Landnutzung.

Khedidja Mamou (National Architecture School of Montpellier, Frankreich) berichtete in einer weiteren Keynote-Präsentation von Erfahrungen aus Stadterneuerungsprojekten, bei denen Online- und Offline-Tools in Partizipationsprozessen kombiniert wurden. Die Hoffnung auf die Entwicklung eines standardisierten ,tool kit‘, auf das Planer*innen in Beteiligungsprozessen zurückgreifen können, hielt sie für nicht erfüllbar: Jeder Fall sei einzigartig und erfordere ein maßgeschneidertes Beteiligungskonzept, das vor allem die Schaffung von dialogfreundlichen Rahmenbedingungen in den Blick nimmt. Sie empfahl zudem, in Beteiligungsverfahren auf die Präsentation von Plänen weitgehend zu verzichten: Für Planer*innen ein selbstverständliches und alltägliches Medium, finden Bürger*innen meist nur schwer Zugang dazu. Deutliche bessere Erfahrungen habe ihr Projekt mit dem Einsatz von Videos und Zeichnungen gemacht.


Die dritte Keynote des ersten Tages ermöglichte einen gleichermaßen unkonventionellen wie erkenntnisreichen Zugang zum Thema Partizipation: Das Theater der Versammlung der Universität Bremen präsentierte die Performance „C copy A, Encrypted“. Kernthemen der –  bei jeder Vorstellung einzigartigen – Aufführung sind Komplexität und Systemsteuerung: So kann jede*r Zuschauer*in Einfluss nehmen auf die Abläufe auf der Bühne, aber niemand kann alles steuern. Wie in einem konventionellen Theater übernehmen die Schauspieler*innen Rollen, hier allerdings aus jeweils unterschiedlichen Stücken, sodass sie nicht im herkömmlichen Sinn miteinander spielen. Das Publikum hatte die Aufgabe, die Rollenfragmente durch den Zuruf verschiedener Computerbefehle zu ‚zerschneiden‘ und neu zusammenzusetzen. Durch diese Interventionen schafften sie kleine Sinninseln im Chaos, wie der künstlerische Leiter Jörg Holkenbrink es formulierte. Parallelen und Differenzen zu Partizipationsprozessen lagen teilweise auf der Hand, wurden andererseits in der anschließenden Diskussion gemeinsam herausgearbeitet. Ähnlich wie in Beteiligungsprozessen nimmt auch in der Aufführung die Komplexität im Zeitverlauf zu, hier induziert durch die Einführung zusätzlicher Computerbefehle. Auch verändert sich in den Settings die Situation, je nachdem auf welche Tools in Performance wie Partizipation zurückgegriffen wird und welche Auswahl die Akteur*innen aus ihrem Rollenrepertoire treffen. Als Unterschiede zu Beteiligungsprozessen identifizierten die Teilnehmer*innen unter anderem das Fehlen von inhaltlichem Dissens oder von mit Interessen verknüpften Machtstrukturen, die hinter der Beteiligung stehen.


Am zweiten, projektinternen Tag wurden die Erkenntnisse des Vortags vertieft und Schlussfolgerungen für INTERPART gezogen. In ihrem Input über das „Participatory Democracy Lab” unterstrich Maria Muñoz-Duyos (Medialab Prado, Madrid) die große Bedeutung des Wissens ‚von der Straße‘ jenseits institutionalisierter Räume der Wissensproduktion. Das INTERPART-Forschungsdesign stellte Robert Barbarino (Fachgebiet IPS) zur Diskussion – mit einem Schwerpunkt auf dem Reallabor-Konzept und den integrierten Methoden wie z.B. Storytelling, moderierten Online-Dialogen, Teilnehmenden Beobachtungen oder Forschungstagebüchern. Malte Bergmann (Design Research Lab der UdK Berlin) stellte das Kommunikations- und Beteiligungskonzept für die Reallabore vor. Unterschiedliche Teilaspekte der Thematik beleuchteten anschließend drei Workshops: „Digital Tools“, „Participatory Design and Real-World Laboratories” und „Social Diversity: Gender, Migration and Participation”. Dabei wurden unter anderem Forschungs- und Beteiligungsprojekte aus Finnland, Kanada, Serbien, Tunesien, Ukraine, Spanien und Griechenland vorgestellt.


Aus diesem breiten thematischen Spektrum, den zahlreichen internationalen Fallbeispielen und den vertiefenden Diskussionen konnte das INTERPART-Projekt Anregungen und Schlussfolgerungen für die eigene Arbeit mitnehmen. In der abschließenden Diskussionsrunde kamen ganz unterschiedliche Ansatzpunkte zur Sprache: Sie betrafen beispielsweise die Frage der Abgrenzung zwischen Dialog und Partizipation, Reflexionen über die kulturelle Bedingtheit und Rolle von Sprache in Beteiligungsprozessen, mögliche Hürden der Kooperation von Wissenschaft und Verwaltung in Reallaboren oder die Herausforderung, Beteiligungsprozesse gerade zu Beginn offen und noch ohne Fixierung auf konkrete Planungsobjekte zu gestalten - Erkenntnisse, die einfließen sollen in die weiteren Arbeitsschritte von INTERPART, beispielsweise beim Auftakt der Reallabor-Interventionen in Berlin und Wiesbaden, die im Juni 2019 stattfinden werden.


Kontakt: katrin.gliemann@tu-dortmund.de, sandra.huning@tu-dortmund.de

Foto: Bianca Herlo, UdK Berlin